Die Wasserversorgung auf Fuerteventura.

Wassermangel auf Fuerteventura – Dürren, Hungersnöte und viele Tote.

Es ist kaum vorstellbar, dass hunderte Jahre Menschen auf Fuerteventura leben und Landwirtschaft betreiben konnten, in dem sie lediglich die spärlichen natürlichen Wasserquellen nutzten. Für viele Menschen auf der zweitgrössten der Kanaren Insel ging sich das aber nicht aus. In den Aufzeichnungen der Conquistadoren wird von lediglich 1.700 Majoreros berichtet, die auf Fuerteventura lebten. Auf Lanzarote waren es wohl nur um die 400. Trotzdem, auch unter ihnen kam es immer wieder zu Verteilungskämpfen, wenn Wasser und Nahrung knapp wurde. Die antike wie auch romantische Literatur schreibt gerne von den Inseln der Glückseligen, die friedlich zusammen und im Einklang mit der Natur lebten. Ein Besuch des sehenswerten Museums in der Casa de Colón in Las Palmas de Gran Canaria, zeigt ein anderes Bild: Eingeschlagene Köpfe, Knochenbrüche, die von Kampfhandlungen zeugen und mehr. Es herrschte ein Überlebens- und Revierkampf unter den Stämmen.

Bis die Wirtschaft im 17. / 18. Jhd. begann durch Karmin, Kali, Soda, Kalk und dann die Konservenindustrie zu boomen, lebten Jahrhunderte lang nur 2,5 tsd. bis maximal 4,5 tsd. Menschen auf der Insel. In der ersten goldenen Zeit von Fuerteventura im 18. Jhd, stieg die Bevölkerung auf knapp 8 tsd. an. Das bliebt so, bis sich in den 1970igern der Tourismus entwickelte. Obwohl Fuerteventura stets dünn besiedelt war, kam es durch grosse Dürren zu Hungers- und Wassernöten, in denen jedesmal hunderte Menschen starben. Wenige sind gut dokumentiert, jene der Jahre 1683, 1780, 1902, 1907 stechen heraus und zeichnen ein erbarmungslos hartes Gesellschaftsbild. Bewohner, die in den Dürren 1693 und 1780 auf Schiffen nach Gran Canaria übersetzten, um der Hungersnot zu entkommen, wurden abgewiesen und zurück geschickt. Eines dieser Schiffe sank nahe des Punta de Jandía auf der Rückkehr an einer Klippe, die heute den Namen El Griego trägt, der Grieche. Benannt wurde sie nach dem Capitán des Schiffs, der Grieche war. Rund 150 Menschen ertranken am Kap. Die ganze Geschichte ist hier spannend nachzulesen. Auch 1902 und 1907 war die kanarische Gesellschaft nicht weniger hart. Als einige hundert Menschen auf Fuerteventura verdursteten oder verhungerten, irgendeine Kombination aus beidem eben, wurde tatenlos zugesehen und keine Hilfe aus dem lediglich 100 Km entfernten Las Palmas de Gran Canaria geschickt. Die Insel der Glückseligen – für jene, die im Wohlstand lebten. Heute gilt das immer noch so in einer Version light.

Historische Trinkwassergewinnung – gavias, chicagos, Wasserstollen und mehr.

Herrscht keine Dürreperiode, kann auf Fuerteventura mit einem Achtel der Regenmenge gerechnet werden, die über das gesamte deutsche Bundesgebiet gemittelt erreicht wird. Das sind 114 mm/m2. Spärlich und mit diesen Wassermengen nicht nur zu überleben, sondern auch sehr erfolgreich Landwirtschaft zu betreiben, bedarf es spezieller Strategien.
 

Gavias – Wasserwirtschaft der Nordafrikaner.

Nach der finalen Vernichtung Karthagos 146 v. Chr, begann die Blütezeit der römischen Provinz Africa und durch diese die Besiedelung des kanarischen Archipels. Unbestritten gehen die Wurzeln der kanarischen Ureinwohner, der  bimbaches, majos, canarios, gomeritas, benahoaritas und guanches, die voneinander isoliert auf den Hauptinseln lebten, auf in Nordafrika lebende Volksgruppen zurück. Gerne mystifiziert, aber das ist die Tatsache. Phönizier als Überbegriff benennt sie. Tatsächlich waren Phönizier neben dem Urkern aus dem heutigen Libanon, ein Völkergemisch aus Numiden, heutiges Ägypten, Berber vom Atlasgebirge und vielen weiteren Volksgruppen anderer Regionen. Der kanarische Ring- und Stockkampf, die Art zu mumifizieren, bis hin zu Zeichen und Sprachelementen weisen das nach, auch neueste Gentests. Neben ihrem kulturellen Erbe, brachten sie auch ihre entwickelte Technologie in Bezug auf Wasser- und Landwirtschaft nach Fuerteventura: Das System der gavias und des Trockenfeldbaus. Damit war es möglich, Fuerteventura zur Kornkammer der Kanaren zu entwickeln. Mehr dazu findet sich unter gavias und Landwirtschaft.
 

Wasserschatz Fuerteventuras – mineralisches Grundwasser.

Fuerteventura sitzt (noch) auf einem grossen Grundwasser Schatz. Bei der kargen Landschaft lässt sich das gar nicht vermuten. Die heftigen subtropischen Regengüsse müssen aber irgendwo ihren Weg finden. Treffen sie auf wasserundurchlässige Sedimentschichten, strömen sie in wilden Bächen und Flüssen in den Atlantik und formen barrancos. Gehen sie auf poröse Vulkangesteine nieder, werden die Regengüsse einem Schwamm gleich aufgesogen und sikern tiefer, bis wieder eine wasserundurchlässige Schicht erreicht wird. Im Extremfall können das ganze Becken sein, sogenannte hydrografische Becken, aus denen das Wasser nicht mehr abfliessen kann. Ein unterirdischer See also wie unter dem Ort Agua de Bueyes (Ochsenwasser), das auf einem grossen Wasserschatz sitzt. In früheren Zeiten war der Ort von Obstgärten geprägt, selbst der erste Weinberg des kanarischen Archipels wurde dort angelegt. Auch Vega de Río Palmas lebte vom Obstanbau. Hier bringen das Wasser barrancos aus dem Zentralmassiv, die über Vega de Río Palmas fliessen und bei Ajuy in den Atlantik münden. Auch wenn diese Wasserläufe im Sommer staubtrocken wirken, unter der Oberfläche fliesst immer Wasser. Die Frage ist, wie an das Grundwasser heranzukommen ist und ob es genutzt werden kann.
 

Mineralisches Grundwasser fördern – Ochsenbrunnen und chicagos.

Majoreros waren nicht in der Lage, Grundwasser zu fördern. Damit begannen die Spanier im 15. Jhd. Technologisch nicht sehr anspruchsvoll, wurde ein Brunnenschacht gegraben und das Wasser mit einem Schaufelbrunnen nach oben transportiert. Interessanter Weise erfolgte der Antrieb nicht mittels Windmühlen sondern mit Ochsen, Maultieren oder Kamelen, die endlos im Kreis liefen. Zwei solcher Brunnen sind erhalten und zu besichtigen. Einer ist am südlichen Ortsende von Betancuria zu finden. Er schöpfte das Wasser des Barranco de Covento, der Wasser vom Morro de Veloso o del Convento (676 m) brachte. Der zweite erhaltene ist direkt am Hauptplatz von Pájara zu sehen. Dort vereinen sich mehrere barrancos. Erst am Anfang des 20. Jhd. nach den verheerenden Dürren von 1902 und 1907, wurde begonnen mit Windkraft Wasser zu pumpen. Es wurden die neuen, patentierten windbetriebenen Wasserpumpen der Aermotor Windmill Company  aus Chicago im grossen Stil importiert. Jeder kennt sie aus Western. Auf Fuerteventura bekamen sie den Namen „chicagos“. Einige dieser unverwüstlichen Originale sind immer noch im Einsatz. Auch heute kann jedes noch so kleine Ersatzteil nachbestellt werden. Die faszinierende Geschichte der chicagos ist hier zu lesen.
 

Mineralisches Grundwasser finden und nutzen – Klärsteine und Tomaten.

Wo Grundwasser auf Fuerteventura zu finden ist, eine einfache Sache. In jedem barranco und zwar dort, wo Tamarisken und kanarische Palme angetroffen werden. Vor allem letztere sind ein sicherer Hinweis, da sie mit langen Pfahlwurzeln Grundwasser anzapfen. In Geländesenken im Landesinneren muss oft lediglich fünf Meter tief gegraben werden und das Loch beginnt sich mit intensiv türkisfarbenem Wasser zu füllen. Es ist derart mineralisch, dass es für den Menschen ungeniessbar ist. Daher hatte jeder Haushalt einen Klärschrank in der Küche stehen: Das Wasser wurde über einen porösen vulkanischen Stein geleitet und tropfte unten klar ab. Schmeckte übel aber war zu trinken. Die ersten Zeitzeugen, die Fuerteventura touristisch bereisten, berichten von diesem Geschmack, der nur mittels starker Fleischbrühe erträglich würde. Auf Fuerteventura ist ein solcher historischer Klärkasten im Museum Doctor Mesa y Mena in La Ampuyenta zu sehen. In Las Palmas de Gran Canaria, im Museum des berühmten spanischen Literaten Benito Pérez Galdós in Las Palmas, ebenso. Selbst als prominenter und wohlhabender Bürger bereitete er vor 100 Jahren in seiner Altstadt Residenz so sein Wasser auf. Einige wenige Nutzpflanzen haben kein Problem mit dem mineralischen Wasser und können es direkt, wie die Tomate, nutzen. Eine sehr wassergierige Pflanze. Bekommt sie zu wenig, bildet sie eine dicke Haut. Ist sie zufrieden, ist die Haut fein und dünn. Tomatenfarmen pumpen aktuell unkontrolliert Grundwasser. Wem das Wasser gehört und wer es pumpen darf, ist nicht eindeutig festgelegt. Als Spanier die Insel in Besitz nahmen, wurde alles bis ins Detail geregelt, nur das Wasserrecht nicht. Zu unübersichtlich war die Situation und so gehörte es einfach allen oder eher den Los Coroneles, die einem absolutistischen Herrscher gleich die Insel regierten. Noch heute gibt es keine klaren Regeln.
 

Wasserläufe bewirtschaften – Barranco de Río Cabras als Wasserader der Insel.

Mit der wassertechnischen Bewirtschaftung von barrancos wurde recht früh begonnen. In Analogie zu den gavias, wurde ein stufenförmiges System an Staudämmen und Rückhaltebecken angelegt. Im Kleinen ist das im Parque Castillo de Lara nahe Betancuria zu sehen. Ende des 19. Jhd. wurde damit in grossem Stil begonnen, um die Hauptstadt Puerto del Rosario derart mit Trinkwasser zu versorgen. Das Unternehmen „La Esperanza“, „Die Hoffnung“, wurde gegründet und begann 1899 (andere Quellen 1898) mit exklusiver Lizenz den Barranco de Río Cabras zu bewirtschaften. Die ganze Geschichte ist hier interessant nachzulesen.
 

Wasserstollen – uralt aber besonders effektiv.

Wasserstollen sind in wasserdurchlässigen Gebirgsstöcken eine sehr effektive und alte Art reinstes Trinkwasser zu gewinnen. Die Alpenstadt Innsbruck wird gänzlich vom Mühlauer Wasserstollen versorgt, der rund 1,7 Km auf rund 1.000 m Seehöhe in die Nordkette, das Karwendelgebirge, geschlagen wurde. Von den Höhen aus bis zu 2.300 m, sickert Wasser, durch den Fels gefiltert, in den Stollen. Wie schnell, das hängt vom jährlichen Schneedruck ab und kann 10 bis 15 Jahre dauern. Das Wasser geht völlig unbehandelt in das Leitungssystem.

Auch auf Fuerteventura wurden viele dieser Stollen geschlagen. Stollen ist für Fuerteventura jedoch eher übertrieben, da sie immer nur einige Meter lang sind. Direkt in einen solchen geblickt werden kann am besten, wenn die schöne Wanderung zur Quelle El Tanquito am Montaña Cardón unternommen wird. Auch die Fuente de Tababaire über La Oliva eignet sich, jedoch ist der Blick in den Stollen dort aufwändiger. Auch Gustav Winter aka Don Gustavo war eifriger Stollenbauer, um seinen Traum von Landwirtschaft auf der Halbinsel Jandía Realität werden zu lassen. Ein solcher Stollen findet sich direkt über der Villa Winter in Cofete. Der Stollen kam all jenen sehr gelegen, die am grotesken Nazi und U-Boot Hafen Märchen arbeiteten und arbeiten. Der Stollen sollte ein Bahnprojekt des Don Gustavo gewesen sein, ein Eisenbahntunnel, um die Logistik vom U-Boot Hafen Cofete nach Morro Jable sicher zu stellen. Die Kompressoren, die in der Villa Winter gefunden wurden, sollte dazu gedient haben, einen unterirdischen U-Boot Hafen anzulegen. Interessant, was Menschen alles glauben, wenn sie nichts wissen. Ein Baumeister, der an einem flachen, sandigen Küstenabschnitt, noch dazu an der LUV Seite einer Insel, einen U-Boot Hafen planen würde, wäre sofort seinen Job los. Die Kompressoren wurden eingesetzt, um unzählige weitere Wasserstollen zu bohren. Eine Wanderung von den Casas de Jorós hinein in den barranco Richtung Cofete, lässt viele dieser Wasserstollen des Don Gustavo in den Felsflanken entdecken. Auch wird auf Relikte alter Pumpstation von Winter gestossen, die  erstmalig mit Dieselaggregaten betrieben wurde.
 

Aljibe – die Zisternen, um Wasser zu Speichern.

Den Almohaden, die Spanien phantastische Bauwerke wie die Alhambra hinterliessen, war das Wasser heilig. Auf Fuerteventura war es das zwar nicht, aber kein Tropfen sollte verloren gehen. Ungenutztes Wasser wurde über Kanäle und Rinnen zu einem System aus Klärbecken geleitet. In diesen konnte sich der mitgeführte Eintrag absetzen. Der Überlauf wurde immer klarer und landete final in einem aljibe. Viele dieser historischen Zisternen sind gut erhalten. Das grösste im Bezirk El Charco in Puerto del Rosario, das von der Gesellschaft La Esperanza errichtet wurde. Im Ort El Cotillo fallen sie dem Aufmerksamen überall auf und jeder Leuchtturm hat eines, schön am Faro de Tostón nahe El Cotillo oder am Faro Martiño auf der Isla de Lobos zu sehen.

Das "aljibe", die Zisterne am Leuchtturm Faro de Tostón bei El Cotillo Fuerteventura.

Trinkwasser für die Hauptstadt Puerto del Rosario.

Bevor Briten am Anfang des 19. Jhd. das wirtschaftliche Potential von Fuerteventura entdeckten, gab es keine nennenswerten Ballungszentren. Die Städte waren mehr grössere Dörfer, die Dörfer eher ein Cluster verstreuter Weiler. Die Wasserversorgung erfolgte dezentral. Jeder kümmerte sich irgendwie selber darum. Als Brite 1805 mit Puerto de Cabras, das heutige Puerto del Rosario, die erste Stadt Fuerteventuras entwickelten, die einen derartigen Namen auch verdient, sollte und musste sich einiges ändern.

Mit Puerto de Cabras entstand der führende Hafen von Fuerteventura. Damit wurden die Häfen El Cotillo, Corralejo, Caleta de Fuste und Gran Tarajal, die bisher auf der Insel die bedeutendsten waren, zu einer logistischen Randnotiz. Puerto de Cabras wurde zum Zentrum Fuerteventuras. Eine Infanterie Kaserne entstand im Stadtteil El Charco. Ein Trockendock wurde im Hafen angelegt, um die Handelsschiffe zu warten. Dazu müssen Schiffe heute nach Las Palmas de Gran Canaria. Selbst eine britische Botschaft öffnete in Puerto del Rosario. Heute gibt es keine einzige Botschaft, noch nicht einmal eine konsularische Vertretung irgendeines Staates auf Fuerteventura. Die Entwicklung von Puerto de Cabras war spektakulär und so wundert es nicht, dass bereits 1860 Puerto de Cabras Antigua als Hauptstadt ablöste.

Die industrielle Revolution hatte aus Britanien eine arbeitsteilige Gesellschaft gemacht. In ganz Spanien und besonders Fuerteventura war das noch lange nicht der Fall. In Puerto del Rosario trieben Briten diese Entwicklung voran. So musste eine neue, moderne Lösung für die Wasserversorgung der neuen Hauptstadt gefunden werden. Wasser sollte eine Ware, Dienstleistung wie jede andere werden, die bestellt und bezahlt wurde, während man selber seinen eigenen Geschäften nachging. Um das Wasserproblem der Hauptstadt zu lösen, wurde der Barranco Río de Cabras südlich von Puerto de Cabras, als Ressource ausgemacht. Ein wasserreicher Lauf, der unterhalb von La Ampuyenta seinen Ursprung hat, bei Casillas del Ángel zu einem erkennbaren Wasserlauf wird und am heutigen Airport in El Matorral ins Meer mündet. Und das war das Problem. Gab es Regen und ausreichend Wasser, dann schoss es durch den Barranco Río de Cabras und ergoss sich ungenutzt im Atlantik.

Das Unternehmen „La Esperanza“, „Die Hoffnung“, wurde gegründet und erhielt 1899 (andere Quellen 1898) die Lizenz den Barranco Río de Cabras wassertechnisch bewirtschaften zu dürfen und auch zu müssen. La Esperanza errichtete grössere und kleinere Staubecken im Wasserlauf und legte eine 14 Km lange Wasserleitung an, die das eingefangene Wasser nach Puerto del Rosario in den Bezirk El Charco (die Pfütze) leitete und dort in einem grossen aljibe (Zisterne) sammelte. In der Hauptstadt selbst gab es kein Wasser Leitungssystem. Dort waren Wasserträger mit Kanistern unterwegs und transportierten das Wasser in die Häuser. Der letzte Wasserträger war bis Ende 1960 unterwegs, denn erst 1970 erhielt Puerto del Rosario die erste Meerwasser Entsalzungsanlage der Insel und ein Wasserleitungssystem. Dem letzten Wasserträger, dem letzten el aguador, wurde ein Denkmal gesetzt. Eine Bronzestatue in der Calle Léon y Castillo gegenüber der Ringkampfarena verewigt ihn geschaffen vom Künstler Emiliano Hernández García. Den Namen des letzten el aguador zu nennen, das wurde leider vergessen. Er war bis das Wasserwerk in Betrieb ging Tag ein Tag aus in den Strassen von Puerto del Rosario unterwegs. An einem über die Schultern gelegten Stock, transportierte er einen wassergefüllten 16 und 20 Liter Blechkanister. Wen die ganze Geschichte zum Unternehmen La Esperanza und die Wasserträger interessiert, der findet sie unter Puerto del Rosario die Hauptstadt von Fuerteventura.

Ein Wasserversorgungsunternehmen La Esperanza zu nennen, wirkt heute etwas pathetisch. Um die Welt verstehen zu wollen, müssen Dinge immer im kulturellen und zeitlichen Kontext gesehen werden, dann könnten sie verständlich werden. Seit der Besiedelung Fuerteventuras war es nichts aussergewöhnliches, dass Menschen auf der Insel verhungerten oder verdursteten. Eine raue Zeit, das war eben so. Noch in den grossen Dürren Fuerteventuras in den Jahren 1901 und 1907 verdursteten hunderte Menschen auf der Sonneninsel. Wieviele es genau waren ist nicht bekannt, hunderte eben. Der Einzelne aus dem gemeinen Volk zählte nicht viel. Hilfe aus Gran Canaria oder Teneriffa gab es nicht. Aber die Ereignisse von 1901 und 1907 führten schliesslich doch zu einer Diskussion, dass dies alles so nicht sein könne. Ab dann brachen Tankschiff des Militärs von Gran Canaria auf, wenn das Wasser auf Fuerteventura knapp wurde, damit sich 1901 und 1907 nicht wiederholen würde.

Der Barranco de Río Cabras mit seinen vielen historischen Staudämmen, ist heute ein kaum bekanntes Kleinod von Fuerteventura. Vor den alten Staumauern verlandete Tümpel, viel Vegetation in einem feucht schwülen Ambiente. Ein Paradies für Zugvögel und Birdwatcher die sie beobachten wollen. Auch den Barranco de Río Cabras zu durchwandern ist ein Erlebnis.

Osmose Meerwasser Entsalzung Puerto del Rosario Fuerteventura.

Trinkwasser auf Fuerteventura durch Meerwasser Osmose Anlagen.

Noch bevor das erste zentrale Kraftwerk der Insel 1975 in Betrieb ging, wurde die erste Meerwasser Aufbereitung 1970 in Puerto del Rosario im Stadtteil El Charco errichtet und in Betrieb genommen. Eine recht primitive Anlage. Sie destillierte Wasser. Energetisch ein wenig effizientes Verfahren, aber zu jener Zeit das verbreitete. Von Trinkwasser zu sprechen, wäre übertrieben, da destilliertes Wasser vorher mineralisiert werden müsste. Pro Tag konnten lediglich 2.000 m3 Wasser produziert werden. Für eine Insel, die gerade den ersten Tourismusboom erlebt, zu wenig und vor allem war das Wasser nur für die Hauptstadt bestimmt. Das weckte die Begehrlichkeiten von Corralejo und Gran Tarajal. Wasserleitungen wurden gelegt, die Anlage in El Charco 1973 vergrössert. Nun spuckte sie täglich 4.000 m3 destilliertes Wasser aus. Der Zustand des Leitungssystems war Anfang der 1970iger ähnlich schlecht wie aktuell und wenig Wasser kam in Gran Tarajal tatsächlich an. Der Grossteil ging durch die undichten Rohre verloren. So wurde 1980 in Gran Tarajal eine eigene Entsalzungsanlage errichtet, die eine Kapazität von 250 m3 pro Tag hatte. Da kaum jemand zu dieser Zeit täglich ein Bad nahm oder WCs existierten, war das gar nicht so wenig und reichte noch, um die 1950 errichtete Eisfabrik für die Fischerei zu bedienen. Zum Vergleich die Füllmenge eines genormten olympischen Beckens laut FINA (Fédération Internationale de Nation) beträgt exakt 250 m3 Wasser.

Natürlich konnte es in Sachen Trinkwasser so auf Fuerteventura nicht weiter gehen. Der Hut brannte. Condor flog seit 1973 Fuerteventura direkt aus Düsseldorf an. In Morro Jable, Costa Calma und Corralejo explodierte der Tourismus und das ohne die Existenz eines inselweiten Wassernetzes oder ausreichend Kapazität Meerwasser aufzubereiten. Tankschiffe pendelten zwischen der Nachbarinsel Gran Canaria und Fuerteventura und brachten tagtäglich Wasser auf die Insel. So entstand 1993 das CAAF (Consorcio de Abastecimiento de Aguas a Fuerteventura) und eine grosse Investition wurde getätigt: Puerto del Rosario erhielt eine moderne Osmose Anlage zur Aufbereitung von Meerwasser. Sie konnte vorerst jedoch nur 1.500 m3 Wasser pro Tag liefern. Weitere Anlagen wurden projektiert. Folgend gingen bis 1995 in Corralejo, Gran Tarajal und Morro Jable weitere Osmose Anlage in Betrieb. Die verfügbare Aufbereitungskapazität stiegt auf beachtliche 32.000 m3 pro Tag.

Osmose ist ein interessantes technisches Verfahren, das nicht nur in der industriellen Verfahrenstechnik sondern auch in der Medizin seine Anwendung findet. Im menschlichen Körper trägt Osmose dazu bei, den Wasserhaushalt zu regulieren. Das Prinzip der Osmose besteht darin, Flüssigkeiten durch eine oder mehrere Membranen zu pressen, Trennschichten, die im Falle von Meerwasser Salz vom Wasser abscheiden. Dabei baut sich der sogenannte osmotische Druck auf. Wird eine Osmose Anlage umkehrbar konzipiert, Pumpe versus Stromgenerator, kann sie einer Batterie gleich Energie speichern und wieder abgeben. Eine Technologie, die aktuell experimentell in Windkraftanlagen eingesetzt wird, um nicht benötigten Windstrom zu speichern.

Die Meerwasser Osmose Anlagen von Fuerteventura – die Verfügbare Kapazität mit 2023.

Mit 2019 leistet die Osmose Anlage in Puerto del Rosario 21.500 m3 pro Tag. Weitere öffentlichen Anlagen sind in Caleta de Fuste und Gran Tarajal in Betrieb. Die Osmose Anlage in Gran Tarajal wurde letztmalig im Sommer 2023 um 1.000 m3 Tageskapazität erweitert. Vier private Anlagen werden für die Golfanlagen Golfclub Fuerteventura, Golfclub Salinas de Antigua, Playitas Golf und Jandía Golf Fuertventura betrieben. Auch der Oasis Wildlife Park betreibt eine Seewasser Entsalzungsanlage, die über grosse Kapazität verfügt. Der öffentliche Palmenhain in der schönen Bucht Puerto Rico ist dieser zu verdanken. Während der unzähligen Ausfälle der zentralen Meerwasser Osmose Anlage in Puerto Rosario nebst vieler Brüche der Hauptwasserleitung im Jahr 2023, leitete die Anlage des Oasis Park Süsswasser in das öffentliche Netz, um die Netzstabilisierung zu unterstützen. Als Dank verübten Unbekannte im August 2023 zwei Brandanschläge auf die Anlage. Eine private Entsalzungsanlage ist auch für Hotels in Costa Calma im Einsatz. Die grosse Osmose Anlage in Corralejo ist ebenfalls ein Privatbetrieb in Form einer spanischen AG, dessen Mehrheit vom GEA-Fonds in dem die TUI Gruppe investiert ist (s. DIVAG GEA-Fonds) gehalten wird. Die Anlage versorgt rund 100 Grossabnehmer im Bereich Tourismus. Die Osmose Anlage in Corralejo wird von zwei Windkraft Generatoren unterstützt, die 45 m hoch sind und deren Flügel einen Durchmesser von 52 m bestreichen. Die Generatoren sind älteren Datums und bringen es zusammen nur auf eine Leistung von knapp 1 MW. Die Anlage ist daher auf Strom aus dem öffentlichen Netz angewiesen. Zum Vergleich, ein modernes offshore Windrad liefert bis zu 18 MW. Die Osmose Anlage in Corralejo wartet mit der beachtlichen Tageskaazität von 4.300 m3 auf und wird seit 2009 betrieben. Bei der Bilanzpräsentation 2017 wurde ein solider Gewinn von über 1 mio Euro ausgewiesen.

Wird die gesamte Kapazität der Meerwasser Aufbereitungsanlagen von Fuerteventura addiert, steht mit 2023 eine Tageskapazität von über 100.000 m3 zur Verfügung. Damit liessen sich immerhin täglich 400 olympische Becken füllen. Bezogen auf den durschnittlichen Wasserverbrauch eines EU Bürgers, würde die Kapazität den Tagesbedarf von 770.000 Menschen decken. Ohne das marode Leitungssystem, die wasserfressenden Golfplätze und einige landwirtschaftliche Kulturen die ähnliches tun, wäre Fuerteventura von der Kapazität her bestens ausgestattet. Die grossen Tomatenplantagen beispielsweise, die Tomate eine besonders wassergierige Pflanze, bedienen sich nicht am öffentlichen Wassernetz. Sie nutzen (meist unkontrolliert in einem Graubereich) das mineralische Grundwasser. Für den Menschen ist das direkt nicht geniessbar. Die Tomate ist eine der wenigen Nutzpflanzen, die damit bestens zurecht kommt. Belastend für den Wasservebraucht sind hingegen die Olivenkulturen, die vom Cabildo Insular gefördert werden. Nenneswerte industrielle Wasserabnehmer hat Fuerteventura nicht. Gewerbliche Grossabnehmer sind neben dem Tourismus Zulieferer diese Branche, wie grosse Wäscherreien, beispielsweise die Lavandería El Cardón mit Sitz im Polígono Industrial von Gran Tarajal. Sie ist zentraler Dienstleister der Hotelerie und des Gesundheitswesens.

CAAF (Consorcio de Abastecimiento de Aguas a Fuerteventura) in Puerto del Rosario Fuerteventura.

Das Wasserleitungsnetz von Fuerteventura – mehr als marode.

Das CAAF (Consorcio de Abastecimiento de Aguas a Fuerteventura) findet es völlig ausreichend, Teile des Wassernetzes von Fuerteventura kreuz und quer, in Form von schwarzen Plastikrohren, oberirdisch in der Landschaft zu verlegen. Die schwarzen Plastikrohr werden schnell unter der intensiven Sonne brüchig und beginnen zu lecken. Der Wasserverlust ist enorm. In einige Regionen wird von einem Verlust von bis zu 70% ausgegangen. Genaue Zahlen gibt es nicht, da sich niemand für die Erhebung der Daten interessiert. Ein flächendeckendes Druckwasser Leitungssystem existiert auf Fuerteventura nicht. So kann bei starkem Regen externes Wasser in das Trinkwassersystem eindringen. Der Grund, warum bei Starkregen das Wasser trüb aus der Leitung laufen kann. Was dies in Bezug auf Hygiene und Gesundheit bedeutet ist offensichtlich. Kolibakterien, die beispielsweise vom Kot einer Ziegenherde eingebracht werden, sind noch die harmlose Variante. Der Tourist, der das Wasser blauäugig trank, wird danach einige Tage am WC verbringen. Wer tatsächlich vor hat auf Fuerteventura Leitungswasser zu trinken, sollte einen Katadyn Keramikfilter samt Aktivkohle Aufsatz im Reisegepäck haben, der sich optimaler Weise an einen Wasserhahn anschliessen lässt.

Das Cabildo Insular begann vor einigen Jahren die wieder Ansiedelung von Olivenbäumen zu forcieren, die auf der Insel einmal heimisch waren. Eine gute Idee, wirtschaftlich, landschaftlich und so wurden jedes Jahr 17.000 Bäume an Farmer verschenkt. Das Konzept ging auf. Einige Betriebe produzieren mittlerweile erstklassiges Öl u.a. Aurora Verde in Pozo Negro, das ein international ausgezeichnetes Bio Olivenöl herstellt. Vergessen wurde, dass der zusätzliche Wasserbedarf auch gedeckt werden muss. Rein rechnerisch ginge sich das aus, nur Theorie und Praxis sind zwei paar Schuhe, denn den Verlust durch die leckenden Leitungen wurden nicht eingerechnet. So kam es erstmals 2018 wieder zu Wasserknappheit auf Fuerteventura. Um das Netz in Betrieb zu halten rückte die CAAF aus und drosselte Wasserleitungen. Manche Orte wie Villaverde waren tagelang ohne Wasser. Ohne fliessend Wasser zu leben eine Pein, wenn dann die Mitverursacher der Misere den m3 Wasser um den halben Preis beziehen können wie Privathaushalte, sind soziale Spannungen vorprogrammiert.

Die Oliven Plantage Aurora Verde in Pozo Negro Fuerteventura.

Was machen die vielen Tonnen auf den Dächern von Fuerteventura?

Genial einfach – Spitzen abfedern.

Was machen die vielen Tonnen auf den Dächern von Fuerteventura?

Wenigen fällt es auf. Überall sind die Dächer Fuerteventuras mit grauen Tonnen vollgestellt. Ästeten streichen sie passend. Den ordentlichen Bundesbürger beschleicht schnell das Gefühl, auf den Dächern der Insel herrschen ungeordnete Verhältnisse. Es könnte mal aufgeräumt werden.

Doch diese Unordnung ist ein genial einfacher Puffer. Um ein Wassernetz stabil zu halten, muss Kapazität vorgehalten werden. Ein grosses Reservoir in den Alpen und ein dickes Netz wäre eine Lösung. Geht auf Fuerteventura nicht. Alternativ eine völlig überdimensionierte Osmose Anlagen, die im August, wenn die Touristen kommen, ausreichend Kapazität liefert zu installieren, den Rest des Jahres aber nur auf 40% produziert, ist auch nicht sehr sinnvoll. Also Wassertonnen auf die Dächer und Spitzen abfedern. So einfach kann es sein.

Insider Tipp

Lokales Wasser trinken – Firgas, Fonte Teror, Fonteide.

Touristen greifen im Supermarkt reflexartig zu den Wassermarken die sie kennen. Meist sind es PET Flaschen des Nestlé Konzerns, der gerade das Wasser der Welt zusammen kauft und sündteuer in die Regale rund um den Globus stellt. Auch eine italienische Traditionsmarke wurde Opfer der Nestlé Expansion. Wer S.Pellegrino trinkt, der konsumiert Nestlé. Das kann jedem egal sein oder auch nicht. Jene, die das nicht so toll finden, greifen zu erstklassigem Trinkwasser gefiltert vom Vulkangestein der Kanaren: Firgas und Fonte Teror aus Gran Canaria oder Fonteide aus Teneriffa, zum Beispiel. Und billiger ist es obendrein. Noch wurden die Unternehmen von Nestlé nicht gekauft. Die Traditionsbrauerei Tropical aus Las Palmas de Gran Canaria, die erste Brauerei des kanarischen Archipels, wurde auch bereits einverleibt. Hier ist es Anheuser-Busch InBev. Vielleicht doch lieber ein Estrella Galicia? Noch hat der Konsument die Wahl und damit Einfluss. Noch.

Die Meerwasserentsalzungsanlage in Corralejo Fuerteventura. Die Meerwasserentsalzungsanlage in Puerto de la Cruz Fuerteventura. Das CAAF (Consorcio de Abastecimiento de Aguas a Fuerteventura) in Puerto del Rosario. Das CAAF (Consorcio de Abastecimiento de Aguas a Fuerteventura) in Puerto del Rosario. CAAF – Consorcio de Abastecimiento de Agua a Fuerteventura Puerto del Rosario. CAAF Almacenamiento de Agua La Herradura – die zentralen Wasserspeicher der Osmose Anlage Puerto del Rosario. CAAF Almacenamiento de Agua La Herradura – die zentralen Wasserspeicher der Osmose Anlage Puerto del Rosario. Ein "chicago" auf Fuerteventura. Ein "chicago" auf Fuerteventura. Subtropischer Regenguss in Casillas del Ángel Fuerteventura. Subtropischer Regenguss in La Matilla Fuerteventura. Barranco nahe Lajares Fuerteventura. Historisches aljibe in Lajares Fuerteventura. Historisches aljibe am Faro de Tostón nahe El Cotillo Fuerteventura. Historisches aljibe in El Cotillo Fuerteventura. Historisches aljibe in El Cotillo Fuerteventura. Historischer Schaufelbrunnen in Betancuria Fuerteventura. Historischer Schaufelbrunnen in Betancuria Fuerteventura. Historischer Schaufelbrunnen in Betancuria Fuerteventura. Klärstein im Museum Doctor Mesa y Mena in La Ampuyenta Fuerteventura. Wassertank des Unternehmens La Esperanza im Bezirk El Charco Fuerteventura. Historisches aljibe in El Cotillo Fuerteventura. "El Aguador" – der letzte Wasserträger von Puerto del Rosario, der bis Ende 1960ig das Wasser in Haushalte trug. Wasserstollen an der Ermita el Tanquito am Montaña Cardón. Historische gavias um den Ort La Matilla vom Satelliten aus gesehen. Moderne gavias werden im Ort El Cardón angelegt. Moderne gavias werden im Ort El Cardón angelegt. Ein chicago auf den Feldern von Toto nahe Pájara. Aljibe des Leuchtturms Faro Martiño auf der Isla de Lobos Fuerteventura. Der historische Schaufelbrunnen am Hauptplatz von Pájara. Der historische Schaufelbrunnen am Hauptplatz von Pájara. Der historische Schaufelbrunnen am Hauptplatz von Pájara. Casas de Jorós Jandía Fuerteventura. Historische Grundwasserpumpe mit zubetoniertem Schacht nahe der Casas de Jorós Jandía Fuerteventura.
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