Die universellen Klimazonen auf den Kanaren.

Das Genie Alexander von Humboldt am Teide Teneriffa.

Die Kanaren gelten als die Galapagos Inseln der Botaniker. Durch das gleichmässige Klima konnten sich auf ihnen Arten erhalten, die zur letzten grossen Vergletscherung Europas, im Würm-Glazial vor rund 20 tsd. Jahren, in Mitteleuropa ausstarben. Die kanarischen Inseln warten mit 650 Endemiten auf und immer noch werden neue entdeckt. Zum Vergleich Deutschland besitzt lediglich 6 Endemiten. Insgesamt finden sich auf dem kanarischen Archipel mehr als 2.000 Pflanzenarten. Die grosse Vielfalt ist auch der besonderen Topografie zu verdanken, finden sich doch auf engstem Raum alle Klimazonen dieser Welt, von der Küstenflora bis hin zur Flora in den Kampfregionen am Teide auf Teneriffa, mit 3.718 m höchster Berg Spaniens.

So zog und zieht es jeden ernsthaften Botaniker irgendwann einmal auf die kanarischen Inseln, bevorzugt nach Teneriffa, da dort der grösste Artenreichtum zu finden ist. Und so war es auch für das junge Forschergenie Alexander von Humboldt nicht nur der übliche „last stop“ in Santa Cruz de Tenerife, den jeder Segler einlegte, bevor es mit dem Nordost Passat im Rücken und dem Kanarenstrom unter dem Kiel flott in die Karibik und Lateinamerika hinüber ging, sondern auch ein ersehntes Forschungsziel. Erst wollte der Gouverneur von Santa Cruz de Tenerife Humboldt nicht von Bord lassen. Er fürchtete es könne ein deutscher Spion sein. Um sich die Zeit zu vertreiben bestimmte Humboldt mit seinen modernsten Instrumenten, die er mitführte, die Lage des Hafens von Santa Cruz de Tenerife mit einer noch nie da gewesenen Präzision. Dem Gouverneur zur Kenntnis gebracht beeindruckte das so, dass er sich dachte, Humboldt könne noch von weiterem Nutzen sein und so liess er ihn von Bord gehen. Eine gute Entscheidung für die Wissenschaft der Welt.

Lange ersehnt machte sich der 30ig Jährige am 20. Juni 1799 mit Maultieren und unzähligen Instrumenten auf den Weg zum Gipfel des Teide. Wer selbst die klassische Route von Orotava hinauf gestiegen ist weiss, das ist ein rechter Kraftakt. Mit der annähernden Besteigung des Chimborazo und anderen mächtigen Berge der Anden, avancierte das Universaltalent Humboldt auch noch zu einem der besten Alpinisten seiner Zeit. Beim Anstieg auf den Teide bestimmte Humboldt laufend die Höhe, notierte die Flora die er vor fand, selbst ein „Cyanometer“ führte er mit, um laufend zu messen, wie der Himmel beim höher Steigen an blauer Intensität gewann. Schon am Teide fiel Humboldt auf, wie scharf sich die Vegetation plötzlich ändert und das klare Zonen zu erkennen sind. Monate später in Lateinamerika stellte er erstaunt fest, dass er selbige Zonen dort ebenfalls in den Anden entdeckte. Er entwickelte auf Basis seiner Studien das noch heute gültige Modell der Klimazonen und war wohl der erste Mensch, der begann sich der Erforschung des „Weltklimas“ zu widmen. Dazu erfand er u.a. die „Isothermen“ und begann Welttemperatur Karten zu erstellen. Für all jene, die sich mit der spannenden Forschungsarbeit des Universalgenies befassen wollen, eine faszinierende Buch Empfehlung.

Sonnenuntergang am Teide Teneriffa – darunter des Wolkenmeer des "Bosque termófilo" – La Palma ragt aus den Wolken.

Die Klimazonen des kanarischen Archipels.

Auf dem kanarischen Archipel finden sich alle der 4 rund um den Globus vorkommenden Klimazonen. Da Fuerteventura mit der höchsten Erhebung dem Pico de la Zarza mit nur 807 m sehr flach ist, sind auf der Insel nur zwei der Klimazonen vertreten. Die „Cardonal-tabaibal“ Zone ist sehr ausgeprägt, von der „Bosque termófilo“ Zone ist kaum etwas zu sehen. Lediglich im unteren westlichen Süden der Insel reichen die Bergflanken mit dem Montaña Cardón (663 m) und dem Pico de la Zarza  (807 m)  so weit in den Himmel, dass sie die Passat Wolken einfangen können. Da es sich um extrem steile Berghänge aus Lava handelt, konnte sich dort nie der typische Lorbeerwald ansiedeln.

Seehöhe | Bezeichung (esp.) | typische Vegetation (esp.)

0 - 400 m (N) / 0 - 700 m (S) | Basal | Cardonal-tabaibal
400 - 1.200 m (N) / 700 - 1.200 m (S) | Bosque termófilo | Laurisilva
1.200 - 2.000 m | Montano seco | Pinar
> 2.000 m | Alta montaña | Retamar-codesar
 


Zone Basal – 0 - 400 m.

Mit subtropischen Klima erlebt jeder Tourist am Strand die unterste Klima Zone. Sie ist u.a. das Revier des markanten kanarischen Cardon, den viele Touristen für einen Kaktus halten. Es handelt sich aber um ein Wolfsmilchgewächs, von denen es weltweit rund 7.000 Arten gibt.  Wirtschaftlich ist er nicht interessant, dafür sind andere Arten der Region wahre Geldquellen der Vergangenheit gewesen. Die vielen unterschiedlichen Arten an Sodapflanzen, die in der Küstenregion wachsen, aus denen Kali und Pottasche gewonnen wurde, die Färberflechten, aus denen das wertvolle Karmin hergestellt werden konnte. In der basalen Zone finden sich auch grosse verwilderte Felder von Opuntien, die aus Lateinamerika importiert wurden und auf Fuerteventura prächtig wachsen. Auch mit ihnen kann Karmin gewonnen werden.

Für die Landwirtschaft ist diese Zone, so Wasser und Humus vorhanden, hervorragend geeignet. Auf Fuerteventura wurde Gerste und Mais kultiviert, in Orten wie Agua de Bueyes oder Vega de Río Palmas fanden sich reiche Obstgärten. Auf den wasserreicheren Nachbarinseln gedeihen in der Zone üppig Bananen, Papayas, Zitrusfrüchte, Wein, Papas antiguas, Zuckerrohr, Tomaten und auf Gran Canaria sogar Café im Agaete Tal.


Zone Bosque termófilo – 500 - 1.200 m.

Die "Transición" Zone, der „Bosque termófilo“, der „thermophylen Wald“ oder auch „Montano humedo“, der „feuchte Berg“ genannt, ist der Bereich, in dem sich die Passat Wolken bilden und stauen. Der Nordost Passat streift in den Morgenstunden über das Meer, lädt sich mit der Feuchte des Atlantiks auf und fliegt im Tiefflug über den Atlantik. Je höher die Sonne steigt, desto wärmer wird es, der Sättigungspunkt der Luft steigt und wenn die Sonne im Zenit steht, dann kann so richtig viel Wasser von der Luft aufgenommen werden. Trifft die Wasser satte Luft dann auf die Westhänge von Fuerteventura in Cofete oder in Teneriffa auf die Hänge von Orotava, steigt die Luft auf, kühlt ab, der Sättigungspunkt sinkt, dichter Nebel und Wolken bilden sich, es nieselt oder regnet. Alles ist nass-feucht. Durch die Verdunstungskälte kühlt die Luft rapide weiter ab, was den Prozess nochmal beschleunigt.

Ergebnis dieser Wetterlage intensiv dichte und grüne Wälder an den Berghängen. Der Artenreichtum atemberaubend, der Lorbeerbaum dominiert und durch die grosse Feuchte und reine Luft intensiv von Moosen und Flechten bewachsen. Das Ergebnis z.B. der Mercedes Wald auf Teneriffa, ein Wald, der bei einer Passat Wetterlage durchwandert wirkt, wie ein verwunschener Märchenwald in dem Feen und Zwerge wohnen. Wolken ziehen durch, dichter Nebel. Durch die intensive Feuchte werden die exotischen Gerüche perfekt zur Nase transportiert, der Schall durch die dichte Luft gedämpft, alles hört sich so anders an, wie im Traum eben. Wahrlich ein Erlebnis das inspiriert und fasziniert!

Auf Fuerteventura sieht das anders aus. Natürlich existiert auch an den Hängen Fuerteventuras die Zone „Montano humedo“ in reinster Ausprägung wie auch in den Anden. Doch die lokalen Gegebenheiten der Insel lassen keinen Lorbeerwald zu. Die Zone ist an den Hängen des Montaña Cardon und dem Gebirgszug über Cofete zu finden. Auch dort wird es zu Mittag immer wolkig, diesig und kühl, während auf der anderen Seite der Bergkette die Touristen unter stahlblauem Himmel am Playa del Matorral in der Sonne liegen. An den feuchten West-Hängen haben sich wertvolle Pflanzenarten angesiedelt. Der kanarische Salbei, ein seltener Endemit oder Färberflechten. Und auch an den Hängen von Cofete herrscht ab Mittags eine mystische Stimmung wie im Mercedes Wald auf Teneriffa. Anders aber auch so mitreissend, dass die wildesten Geschichten um die Villa Winter erfunden werden.


Zone Montano seco – 1.200 - 2.000 m.

Der Wechseln von der Klimazone „Bosque termófilo“ in den Klimabereich „Montano seco“ fasziniert jeden, auch Alexander von Humboldt. Ist der Übergang doch messerscharf und plötzlich und so extrem, das es surreal wirkt. Im „Bosque termófilo“ noch nasskalte Waschküche, dreht das Klima abrupt auf stahlblauen kristallklaren Himmel, heiss ist es und so trocken, dass die Zunge schnell am Gaumen klebt. Schnell wird verstanden, warum die Zone „Montano seco“, also die trockene Bergzone, heisst. Wer z.B. auf Teneriffa die TF-21 von Orotava hinauf zum Teide Nationalpark fährt, wird diesen Übergang, der nur in wenigen Höhenmetern stattfindet, dramatisch erleben. Die Blicke über das Wolkenmeer faszinieren. Gegenüber ragt die Insel La Palma aus den Wolken. Fuerteventura ist in dieser Region nicht mehr vertreten, zu flach.

Man mag es kaum glauben, aber die Region „Montano seco“ liebt die kanarische Kiefer. Ein wunderschöner Baum mächtig hoch, ihre Nadeln so buschig und dicht, dass es schon künstlich aussieht. Mit diesen so hübschen, buschigen Nadeln ist die kanarische Kiefer in der Lage, die geringste Nachtfeuchte aus der Luft zu filtern. Auch sie existierte einmal in Mitteleuropa, fiel aber der Klimaerwärmung nach der letzten Eiszeit zum Opfer. Die nächsten Verwandten der herrlichen und mächtigen kanarischen Kiefer findet sich erst in den Bergen von Südkorea.


Zone Alta montaña – > 2.000 m.

Die Hochgebirgszone „alta Montaña“ oder wie man sie in Österreich auch nennt die „alpine Kampfzone“, in der nur die härtesten Pflanzen überleben können, erreicht eindeutig der Teide (3.718 m) auf Teneriffa, der Roque de los Muchachos (2.426 m) auf La Palma und fast der Pico de las Nieves (1.949 m) auf Gran Canaria. Auf allen dreien befinden sich Weltklasse Observatorien. Auf Fuerteventura ist man da mit dem Pico de la Zarza (807 m) nicht mehr dabei. In der Hochgebirgszone wird es für Pflanzen auf den Kanaren besonders hart. Extreme Sonneneinstrahlung durch die Nähe zum Äquator, Sommerhitze und Schnee im Winter. Das meistern nur noch Flechten und Ginster.


Die Klimazonen erleben.

Am besten lassen sich alle Klimazonen auf engstem Raum auf Teneriffa im Sommer erleben, wenn beginnend vom Playa Socorro die TF-21 von Orotava hinauf zum Teide Nationalpark genommen wird und dann weiter die Seilbahn zum Gipfel. Am Strand schweisstreibende Hitze, die zum kühlen Bad im Atlantik lockt. Einige hundert Höhenmeter weiter oben in der Zone des Lorbeerwaldes nasskalte Nebelsuppe, dort wo sich die Passat Wolken stauen und ein wasserdichter Daunen Anorak angesagt wäre. Dann abrupter Übergang zu stahlblauem Himmel, die Luft knochentrocken und hochsommerlich. Die Trockenheit setzt sich bis in die Zone „Alta montaña“ fort. Am Gipfel es Teide stechende Sonne und selbst auf 3.718 m angenehme 15 Grad Lufttemperatur. Ein Lehrstück der Klimatheorie in der Praxis erlebt, einfach grandios.

Blütenpracht in der "transición" Zone am Morro Velosa bei Betancuria Fuerteventura.

Jardín Botánico Canario Viera y Clavijo.

Jardín Botánico Canario Viera y Clavijo.

Der botanische Garten nahe Las Palmas de Gran Canaria.

Der „Jardín Botánico Canario Viera y Clavijo“, der botanische Garten nahe Las Palmas de Gran Canaria, wurde vom grossen schwedischen Botaniker Erik Ragnar Svensson konzipiert und angelegt, der ihn bis zu seinem Tod leitete und ausbaute. Er ist nicht wie der botanische Garten in Orotava auf Teneriffa ein „Weltgarten“, in dem Pflanzen aus Lateinamerika für den spanischen Hof akklimatisiert wurden, er ist ein Garten, der sich rein den kanarischen Endemiten verschrieben hat.

In den Glashäusern des Gartens arbeiten Botaniker daran, das botanische Erbe der Kanaren zu erhalten. Es beherbergt die grösste Samendatenbank kanarischer Endemite weltweit. Rund 70% liegen in ihr, an der Komplettierung wird rastlos gearbeitet. Die Grossstädter lieben diesen traumhaften Park als Ausflugsziel am Wochenende. Touristen sind eher spärlich  zu finden und verpassen daher viel. Ein Spaziergang durch die Hänge des Gartens einfach ein Genuss.

Insider Tipp

Der Morro de Veloso o del Convento – nicht nur Aussichtsberg auch Botaniker Paradies.

Der Morro de Veloso o del Convento (676 m) ist ein Beispiel für die „transición“ Zone. So lässt sich dort eine ganz eigene Vegetation entdecken, die sonst kaum auf Fuerteventura zu finden ist. Es blüht aller Ortes und so kommen die Bienen vom Imker in Betancuria zu Besuch: Die seidenhaarige Schizogyne (Schizogyne sericea) oder Margarita de Famara (Argyranthemum maderense) blühen, der fast ausgestorbene wilde Olivenbaum ist zu entdecken und vieles mehr, für jene, sich Zeit nehmen und ein gutes Bestimmungsbuch in der Tasche haben.

Die Klimazonen der kanarischen Inseln. Alexande von Humboldt, Abbildung aus Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer, Paris 1805. Verlauf der Amerikareise von Alexander von Humboldt in der Zeit von 1799-1804. Portrait Alexander von Humboldt aus dem Jahre 1807, Berlin. Morro Velosa – Seidenhaarige Schizogyne bzw. Schizogyne sericea. Morro Velosa – Magarita famara. Morro Velosa – Magarita famara. Teneriffa – der Mercedes Wald Bosque termófilo. Teneriffa – der Mercedes Wald Bosque termófilo. Teneriffa TF-21 – in der Waschküche der Zone Bosque termófilo. Sunny Fuerte Teneriffa TF-21 – über dem Wolkenmeer der Zone Bosque termófilo. Neben der Silouhette des Teide versinkt die Sonne im Wolkenmeer aus dem die Gebirgszüge der Insel La Palma ragen. Blick vom Montaña de la Carniceria 2.367 m.
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