Fuerteventura – das System der Coroneles.

Verteidiger der Insel – Durchsetzung von Pacht und Zins.

Schon ein Jahr bevor die vollständige Eroberung von Fuerteventura 1405 mit der Taufe der beiden Majorero Stammesführer Guize und Ayoze abgeschlossen war, liess sich Jean de Béthencourt, der nach Spanien gesegelt war, um Verstärkung zu holen, vom jungen König Heinrich III. zum Lehnsherren von Fuerteventura und Lanzarote ernennen. Béthencourt wurde somit seinem Ruf gerecht. Er galt als besonders gemein und immer schlecht gelaunt. Er hinterging seinen Mitstreiter Gadifer de La Salle, der völlig leer ausging und nichts bekam. Aber Jean de Béthencourt trat sein Lehn nie an. Schon im Jahr 1405 segelte er von dannen und war nie wieder auf den Kanaren gesehen. Es gab auf den beiden kargen Inseln für ihn nichts zu holen. Béthencourt war nicht ohne Übertreibung ein schwerst Krimineller, den sein Adelstitel, Abstammung und die Expedition auf die Kanaren wohl vorm Scharfrichter retten konnte. Er war Glücksritter, suchte das schnelle Geld und da gab es auf Fuerteventura nichts zu holen.

So erwarb 1430 Guillén de las Casas die Lehnsrechte über Fuerteventura, Lanzarote, La Graciosa und El Hierro vom Königshaus. Im Jahr 1456 erbte Diego García de Herrera die Besitzungen von Guillén de las Casas. Sein Familienzweig behielt die Lehnsrechte an beiden Inseln bis ins Jahr 1873 hinein. Sie endeten als am 11. Februar 1873 die erste spanische Republik ausgerufen wurde, die nur 23 Monate hielt. Bekannter massen folgte danach eine Diktatur nach der andern, zuletzt General Primo de Rivera gefolgt von General Franco. Erst mit dem Tod General Francos begann in einer aussergewöhnlich friedlichen Weise die Diktatur in eine Demokratie über zu gleiten, die Zeit welche in Spanien die "transición" genannt wird. Die Las Casas Sippe verlor zwar erst 1873 das Lehnsrecht an den Inseln, auf Grund der untragbaren Zustände wurde ihnen aber schon 1836 die Herrschaftsgewalt über die Inseln aus Madrid entzogen, weswegen das Feudalsystem der "Señores" in diesem Jahr endete. Ein Befreiungsschlag für die unterdrückte Bevölkerung.

Auf Fuerteventura, Lanzarote und La Garciosa bestimmte ganze 406 oder 443 Jahre, wie man es sieht, eine Lehnssippe, deren Wurzeln in Guillén de las Casas und Diego García de Herrera begründet lag, feudalistisch das Leben auf Fuerteventura. Bewohner der Insel waren Leibeigene, es herrschte Residenzpflicht und wer die Insel verlassen wollte brauchte eine Genehmigung des Feudalherren. Das Geld wurde anfangs mit Sklavenhandel verdient. Man tauschte sie in der Westsahara gegen Schmuck, Kleidung, Gebrauchsgegenstände und mehr. Auf Sklavenjagd ging man selber nicht, das besorgten die ansässigen afrikanischen Sklavenhändler. Die hatten keine Bedenken ihre Landsleute zu verkaufen. Sklavenhandel wurde nicht erst für Amerika erfunden, schon bei den Ägyptern und Persern ein ganz normales Geschäft. Auf Fuerteventura wurden die Sklaven gesammelt, vermutlich auch in Pozo Negro und den Casas de Jacomar und dann nach Lateinamerika und die Karibik verschifft. Auch wurde Geld mit Getreide gemacht. Fuerteventura galt als Kornkammer der Kanaren. Auf den anderen Inseln wurden lukrativeres angebaut wie Zuckerrohr. Damit wurde man reich, Korn benötigte man, um die arbeitende Bevölkerung zu ernähren. In der Folge kam der wertvolle rote Farbstoff Karmin, die Sodapflanzen und der Kalk hinzu. Die Lehnssippe kam zu entsprechenden Reichtum und den wollte man natürlich auch geniessen. So waren sie kaum auf der Insel zu gegen. Man lebte gerne auf Teneriffa. Dort gab es Kultur und Vergnügungen, die Universität La Laguna, die bereits 1701 gegründet wurde (Universität Göttigen 1732), Weinbau, botanische Gärten, immer genug Wasser, Konzerte und Theater, ein gesellschaftliches Leben in angenehmen Umfeld. All das gab es auf Fuerteventura nicht. Dort gab es karges Leben, viele Ziegen und wenig Wasser.

So waren die Lehnsherren selten vor Ort, was der Krone in Madrid ein Dorn im Auge war. Gab es auf Fuerteventura zwar nicht viel zu holen, die strategische Bedeutung von Fuerteventura war jedoch gross. Zwei bedeutenden Seewege führen an der Insel vorbei, die beide über Teneriffa in die Karibik und Lateinamerika führen und wichtige Handelsrouten waren und noch heute sind. Einmal durch die Meerenge "La Bocaina" zwischen Lanzarote und Fuerteventura und einmal um das Kap Punta de Jandía im Süden Fuerteventuras. Briten und Spanier lagen sich seit Jahrhunderten in den Haaren, das Empire eifersüchtig auf die Handelsmacht Spanien. Immerhin wurde Karl V. bzw. Carlos I. durch Neu Spanien blitzartig zum reichsten Herrscher weltweit und konnte sich so durch Druck zum Kaiser des heiligen römischen Reichs deutscher Nation krönen lassen. So herrschte zwischen Spanien und Grossbritannien meist Krieg und wenn nicht, dann drangsalierten britische Korsaren die Kanaren. Sir Francis Drake griff den Hafen von Las Palmas an, Korsaren der Queen plünderten spanische Handelsschiffe vor Fuerteventura. Da wäre Fuerteventura ein idealer Stützpunkt für die Briten gewesen. Die Insel lag meist ohne Kommandanten schutzlos im Atlantik.

So bestimmte die spanische Krone 1708, dass ab nun ein Militärkommandant das Ruder auf der Insel zu übernehmen und sie auch zu verteidigen habe. Die Ära der "Los Coroneles" begann. Als erster Coronel wurde der reiche Grundbesitzer Coronel Pedro Sánchez Dumpíerrez eingesetzt, der die Funktion von 1708–1733 ausübte. Dumpíerrez gebürtig aus Pájara war mit einer Tochter des Commandante Sebastian Trujillo Ruiz verheiratet, der auf Fuerteventura sehr angesehen war. Commandante Sebastian Trujillo Ruiz stiftete übrigens auch die kleine Kapelle im Ort El Cotillo, der damals noch den Namen Puerto de El Tostón trug. Im Ort wurde das Heiligenbild der Virgen del Buen Viaje verehrt, Kapelle gab es keine. Am 6. Juni 1680 begab sich Ruiz, begleitet von zwei Zeugen, zum Notar der Hauptstadt Betancuria und unterzeichnete beim Notar Alonso Vázquez de Figueroa eine Stiftungsurkunde.

Der 2. Coronel José Sánchez Dumpíerrez (Amtszeit 1734–1741) musste sich in der ersten und einzigen Schlacht, die auf Fuerteventura stattfand, bewehren. Am 24. November 1740 suchten britische Korsaren die Insel heim, zogen plündert ins Landesinnere. Dumpíerrez stellte sie mit einem rasch zusammen getrommelten Bauernherr am Berg Tamasite bei Tuineje, daher "Batalle de Tamasite" und schlug sie verheerend. Mit Kamelen als Schutzschild griff Dumpíerrez an, waffentechnisch völlig unterlegen und siegte fast ohne eigene Verluste. Die Korsaren landeten in einem Massengrab, das seit 2018 in einem Projekt der Universität Las Palmas gesucht wird.

Das System der Coroneles bestand bis zum 7. Coronel Cristobal M. de Lara Cabrera, der das Amt von 1834–1870 inne hatte. Der 4. Coronel Ginés Cabrera Bethencourt (Amtszeit 1764–1766) dürfte die Casa de los Coroneles erbaut haben, was aber nicht gesichert ist. Mit der Ernennung des ersten Coronel Pedro Sánchez Dumpíerrez, wurde gleichzeitig auch La Oliva zur Garnisonsstadt der Insel erklärt. Hauptstadt, wie oft geschrieben wurde La Oliva jedoch nie. Das bliebt Betancuria bis es von Antigua und dann Puerto del Rosario abgelöst wurde. Mit dem Bau der Casa de los Coroneles in La Oliva sollte auch ein starkes Herrschaftszeichen Betancuria entgegen gesetzt werden. Denn in Spanien ging und geht ohne die Kirche nichts. Diesen Herrschaftsanspruch übten die Coroneles auch mit brachialer Gewalt aus. Sie waren nicht nur oberster Militär auf der Insel, sondern auch Vertreter der Gerichtsbarkeit des Königs von Spanien und Vertreter der spanischen Inquisition. Die Coroneles waren absolute, uneingeschränkte Herrscher und konnten schalten und walten wie sie wollten. Nur der König und Papst stand über ihnen, aber was erfuhren die schon so weit weg.

Macht ohne Kontrolle ist bekanntlich keine gute Idee und so uferte die Herrschaft der Coroneles derart aus, dass sich dies bis nach Madrid herum sprach. 1836 wurde die Feudalherrschaft der Señores abgeschafft, das Regiment in La Oliva 1852 demonstrativ aufgelöst und eine Infanterie Einheit nach Puerto del Rosario, das damalige Puerto de Cabras, verlegt. Die Infanterie Einheit errichtete die Kaserne im Bezirk "El Charco", in der Heute das 9. Infanterie Regiment "Soria 9" stationiert ist. "Soria 9" auch bekannt als "El Sangriento", das Blutige, eine kampferprobte Einheit und die älteste noch aktive Infanterie Einheit der Welt. Coronel Cristobal Maria de Lara Cabrera (Amtszeit 1834–1870) übte zwar nach der Abschaffung der "Señores", der Feudalherrschaft, noch das Amt des Insel Obersten aus, hatte defacto aber keine Macht mehr. Die militärische Lag in den Händen des Regiments Kommandanten in "El Charco", die Verwaltungsmacht lag ab 1835 in Puerto de Cabras, dass auch 1860 zur Inselhauptstadt wurde.

Mit dem Ende der Herrschaft der Coroneles ging ein System zu Ende, das für die Bevölkerung der Insel kein Vergnügen gewesen sein muss. Ab da begann der Kampf das kanarische Archipel gegenüber dem spanischen Zentralstaat als autonome Provinz etablieren zu werden, Parlamentarier nach Madrid entsenden zu können. Einer der wesentlichen Mitstreiter war Anwalt Manual Velazquez Cabrera, geboren in Tiscamanita, eine beeindruckende Persönlichkeit. Der Kampf endete mit zwei autonomen Provinzen, Santa Cruz und Las Palmas, zu der Fuerteventura gehört. Manual Velazquez Cabrera ist in Puerto del Rosario eine Bronze Skulptur gewidmet, die vor dem Cabildo der Insel zu finden ist.


Die 7 Coroneles von Fuerteventura – 1708 bis 1870.

Coronel Pedro Sánchez Dumpíerrez (1708–1733)

Coronel José Sánchez Dumpíerrez (1734–1741)

Coronel Melchor Cabrera Bethencourt (1745–1762)

Coronel Ginés Cabrera Bethencourt (1764–1766)

Coronel Augustín Cabrera Bethencourt (1766–1812)

Coronel Francisco Maria de Lara del Castillo (1829–1833)

Coronel Cristobal Maria de Lara Cabrera (1834–1870)

Die Herrschaft der Coronelles auf Fuerteventura – bei der Bevölkerung verhasst.

Casa de los Coroneles La Oliva.

Casa de los Coroneles.

Ein Zeichen des Machtanspruchs – ein Gebäude als Signal.

Wer sich für die Geschichte von Fuerteventura interessiert, kommt an der Casa de los Coroneles nicht vorbei. Von aussehen sieht sie trutzig, wenig einladend aus. Aber das war ja beabsichtigt. Im Inneren tut sich ein schönes Bauwerk auf. Ein wunderbarer Patio mit Palmen, umgeben von einer schönen hölzernen umlaufenden Galeria.

Im Obergeschoss herrschaftliche Räume, beplankte Holzböden und Decken, eine Kapelle. Und dann die schöne Dachterrasse, die grandiose Blicke hinüber nach Villaverde bietet, den Montaña Escanfraga, die historischen Windmühlen der Ortes. Oder auch über La Oliva, die Kirche des Ortes oder den Vulkan Montaña de la Arena. Die Casa de los Coroneles ist ein Sehenswerter Ort mit ebensolchen Ausblicken.

Insider Tipp

Fantastisch über die Casa de los Coroneles blicken – Fuente de Tababaire.

Über La Oliva liegt die Quelle Fuente de Tababire, die einst die Felder um den Ort bewässerte. Auch heute plätschert dort  noch das Wasser. Herrliche Stille und Einsamkeit. In den Felswänden des Morro Tabaiba (529 m) nisten Mäusebussards, deren Rufe die Stille durchschneiden. Von der Aussichtsplattform an der Quelle bietet sich ein fantastisches Ausblick an die Westküste, über La Oliva und die Casa de los Coroneles und Villaverde. Die Quelle lässt sich erwandern oder mit dem Auto erreichen. 

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